Brasilianischer Kaffeeplantagenschlepper: P 312 (Teil 2)
Der Aufbau des Vergasermotors entsprach im Wesentlichen dem des AP 17-Dieselmotors, der ja ursprünglich aus einem Vergasermotor entwickelt worden war. Der Leichtmetall-Vergaser-Motor beim AP 25 S erhielt anstelle von zwei separaten Zylinderköpfen beim Dieselmotor, einen stark verrippten, beide Zylinder überspannenden Zylinderkopf, bei dem die Kipphebel und Ventile mit einem aus Stahlblech gepressten Zylinderkopfdeckel – ähnlich dem des VW-Käfer-Motors – mit Klemmverschluss vor Schmutz geschützt waren.
Ein seitlich direkt am Zylinderkopf angeschraubter rechtwinkliger Flansch nahm den Solex-Vergaser Typ 32 PIP auf, dem ein Luftfilter vorgeschaltet war. Die Ansaugluft wurde über die zwei inneren über Stösselstangen betätigten Ventile gesteuert. Die Verbrennungsgase entwichen durch einen Auspuffkrümmer in den seitlichen Auspufftopf. Der vom Nockenwellenrad aus angetriebene Zünderverteiler befand sich am vorderen Motordeckel. Die Kraftstoffpumpe war auf dem zur Schwungradseite liegenden Flansch, auf dem Motorblock für die Diesel-Einspritzpumpe angeschraubt. An den beiden gefertigten Versuchsmotoren wurden im September 1951 durch den Ingenieur Christoph Regel umfangreiche Vergasereinstellungen sowie Verbrauchs-, Leistungs- und Temperaturmessungen durchgeführt. Wie errechnet, wurden bei 2.200 U/min 25 PS erreicht. Das Verdichtungsverhältnis des Vergasermotors gab man mit 1 zu 6,3 an, der Verbrauch lag bei 285g/PSh. Der P 312 entsprach im Aufbau im Wesentlichen dem AP 17, mit dem Porsche-5-Gang-Getriebe und der ölhydraulischen Kupplung. Einige Änderungen ergaben sich durch die schmale Bauart. So wurde aus der ungefederten, pendelnd aufgehängten und nicht verstellbaren Spezial-Vorderachse, eine Rohrkonstruktion in Portalbauweise. Tiefbettfelgen mit Reifen der Größe 4,5 -10 Zoll wurden bei den Vorderrädern verwendet. Um einen längeren Radstand zu erreichen und um den Schlepper möglichst niedrig zu halten, wurden die beiden gekürzten, rückwärtigen Achsträger um circa 75 Grad nach hinten versetzt, was einen Radstand von 1.620 mm ergab. Für die Hinterradbereifung kamen Räder der Größe 8-24 Zoll, ebenfalls auf Spezial-Tiefbettfelgen, zum Einsatz. Die Verkleidung aus Blech bestand aus mehreren Teilen und war bei der ersten Ausführung wie folgt aufgebaut: Die beiden hinteren Antriebsräder waren nach allen vier Seiten verkleidet. Dieses erreichte man recht einfach, indem zwei Kotflügel an den Stoßkanten zusammengeschraubt wurden. Um den Schlepper herum wurde ein Rahmen aus Winkel- und Bandeisen geführt, der am Fahrzeug an mehreren Trägern, Schottblechen und an den hinteren Kotflügeln befestigt war. Dieser Rahmen nahm die mehrteilige untere Verkleidung aus Blech auf. Die obere einteilige Verkleidungshaube, war gelenkig an den Kotflügeln befestigt, reichte über das Lenkrad und konnte nach hinten geklappt werden. Am vorderen Ende wurde die obere Verkleidung mit einem Knebel befestigt.
Bereits mit dem AP 17 S, Weinbergschlepper bewies Allgaier, dass man in Uhingen und Friedrichshafen Schlepper für spezielle Einsatzzwecke und in kleinen Einheiten produzieren konnte. Zu jener Zeit stellten fast alle anderen Hersteller ebenfalls einen Schlepper in Schmalspurausführung her. Doch Allgaier versah seinen Schlepper mit einer glatten Blechverkleidung und geschlossenen Kotflügeln Äste abzuweisen, wodurch ein Minimum an Schäden an den Früchten und Pflanzen entstand. Als Produzent von fertigen Blechteilen und Hersteller von Werkzeugen und Maschinen für die Blechteilefertigung verstand man sich aufs Beste darauf, und verwundert es nicht, dass Allgaier nicht mit einer Teilverkleidung des Schleppers einverstanden war. Zunächst wurde ein Versuchsexemplar des P 312 gebaut, dieser unterschied sich äußerlich von den späteren Serienschleppern u.a. durch kleinere Öffnungen in der Haube und einen nicht in die Verkleidung integrierten einzelnen vorderen Scheinwerfer. Dieser Versuchsschlepper hatte wie bei der ersten Ausführung des AP 17 einen an der Lenksäule befestigten Armaturenkasten. Eine Dreipunkt-Anbau-Bodenfräse, Typ AW 8 „Ackerwolf“, die von der Zapfwelle angetrieben wurde und an der genormten Dreipunkt Aufhängung der Heckhydraulik angebaut war, wurde in den Rothenburger Metallwerken speziell für diesen Schlepper entwickelt. Die etwa 300 kg schwere Fräse mit festen Messern hatte eine Arbeitsbreite von einem Meter. Die Arbeitstiefe war auf maximal 17 cm begrenzt. Zwischen Fräse und Schlepper befand sich eine elastische, glatte Verkleidung aus Gummi.
Fertigstellung des P 312 und Export nach Brasilien
Zum ersten Mal wurde der Schlepper im Frühjahr 1952 gezeigt und setzte ihn praktisch ein. Durch seine ungewöhnliche Form erregte das Fahrzeug erhebliches Aufsehen. Vier Herren einer brasilianischen Im- und Export-Firma aus Sao Paulo gehörten zu den ersten Interessenten, denen der Schlepper im Einsatz gezeigt wurde. Diese wollten den Plantagenschlepper in großem Stil nach Brasilien einführen. Nach einer überzeugenden und ausführlichen Vorführung des neuen Schleppers war man sich einig, dass dies der richtige Schlepper für den Einsatz in Brasilien sei. Allerdings sollte er noch dem brasilianischen Landwirtschaftsministerium vorgeführt werden und seine Tropentauglichkeit unter Beweis stellen. Im Sommer 1952 reisten Dipl.-Ing. Heinz Altenberg und Fritz Attinger im Auftrag von Allgaier für einige Wochen nach Brasilien, wo der Schlepper vorgeführt wurde und um weitere Informationen für die vorgesehene Serienfabrikation zu sammeln. Im Anschluss wurde die Kombination von Schlepper und Fräse, der staatlichen Prüfungsstelle CAMPINAS, übergeben. Dises testete den Schlepper intensiv und beurteilte ihn mit der Auszeichnung „sehr gut“. Der Testbericht fasst wie folgt zusammen (Übersetzung aus dem Portugiesischen): „Hinsichtlich des gesamten Gerätes können wir bei allen unterzogenen Prüfungen sagen, dass es gute Dienste beim Fräsen leistet. Die Prüfungen bewiesen, dass bei Boden, der von Unkräutern aller Art durchsetzt ist, sogar wenn es sich um Graminha (ein besonders lästiges Unkraut) handelt, die Leistungen als sehr zufriedenstellend bei raschem Arbeiten und sparsamen Verbrauch bezeichnet werden können. Die Prüfungen im Kaffeefeld, das in gleichmäßigen Reihen bepflanzt ist und in einem Boden mit normaler Neigung, beweisen, dass der mit Panzerschutz versehene Traktor sogar unter den Kaffeebäumen arbeiten kann, ohne die Pflanzen zu beschädigen, woraus hervorgeht, dass für die Handarbeit nur eine ganz kleine Fläche um die Pflanze herum übrig bleibt. Die Arbeit erwies sich als sehr wirksam, und die Fläche war vollständig bearbeitet.“
Aufgrund der in Brasilien gesammelten Erfahrungen wurden im Jahre 1952 diverse Änderungen für die Serienproduktion durchgeführt. Da sich das 25-PS-Aggregat bei den Fräsarbeiten auf dem schweren Boden als zu schwach herausstellte wurde die Leistung des Motors auf 30 PS erhöht, was man durch die Änderung des Hubs von 108 mm auf 116 mm erreichte. Durch diese Änderungen wurde unter anderem eine andere Kurbelwelle sowie längere Zylinder benötigt. Die Drehzahl konnte durch den größeren Hubraum von 2.200 auf 2.000 U/min herabgesetzt werden. Dieses wirkte sich wiederum positiv auf die Motortemperatur aus, die in den tropischen Regionen einen wichtigen Faktor darstellte. Wie sich bei Versuchen vor Ort herausstellte, leisteten sowohl die Öl- als auch die Ansaugtemperatur keinen einwandfreien Dauerbetrieb. So wurden gegenüber dem Prototyp einige Schottbleche der Verkleidung geändert, um die Kühlung zu optimieren. Die Fahrleistung betrug auf dem Rollenprüfstand 24,2 PS. Bei den Leistungsmessungen erreichte der geänderte Motor bei 2.000 U/min, 29,4 PS.
Im Jahre 1953 waren die Verhandlungen mit Vertretern der Firma Alrico Ltda. in Rio de Janeiro, die den Vertrieb der Allgaier-Schlepper in Brasilien übernehmen wollte so weit vorangeschritten, dass Alrico bei Allgaier 1.000 Schlepper des Typs P 312 orderte. Zu Beginn sollten 200 Schlepper möglichst zügig in Brasilien eingeführt werden. In den ersten drei Monaten nach Vertragsabschluss, baute man in Friedrichshafen insgesamt 220 Schlepper des Typs P 312. 200 Exemplare waren für den brasilianischen Markt vorgesehen. Für den Seeweg nach Südamerika wurden die Schlepper in hölzerne Überseekisten verpackt. Zunächst wurden jeweils 75 Schlepper in zwei Sendungen bis Ende März 1954 zur Verschiffung nach Brasilien gekommen. Die restlichen Schlepper machten sich mit einiger Verspätung, im Mai des Jahres 1954, auf den Seeweg.
Vor Ort wurden die Fräsen fertig montiert, um im den Schlepper im Anschluss als kompletten Kaffeezug vorzuführen. Die ersten Schlepper kamen Mitte Juni im Hafen von Santos an. Dort konnten sie aber erst nach Erledigung der Zollformalitäten und Zahlung des Einfuhrzolls übernommen werden. Da Almeida, Gordinho & Cia. Ltda. nur über wenige finanzielle Mittel verfügten, wurden zunächst nur 24 Schlepper im Hafen von Santos ausgelöst und in einer angemieteten Halle unter sehr schlechten Bedingungen einsatzbereit gemacht. Danach wurden die Schlepper von den beiden Allgaier-Ingenieuren in der Praxis vorgeführt. Nachschub wurde aus dem Hafen von Santos geholt, sobald das Geld für die verkauften Schlepper eingegangen war. Durch diese Hindernisse liefen sowohl der Verkauf der Schlepper und der Zusammenbau sehr langsam an. Obwohl die Firma Allgaier die Verträge für den brasilianischen Markt mit staatlicher Absicherung abwickelte, wird man in sicherlich zu seinem Geld für die 200 Schlepper gekommen sein, auch wenn das große Geschäft sicherlich ausgeblieben ist.