Die Entstehungsgeschichte der Allgaier-Schlepper

 

Der erste Allgaier-Schlepper (R18)

Einer der vielen Männer, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs ihr Glück auf dem deutschen Schleppermarkt suchten, war Ing. Erwin Allgaier, der zusammen mit seinem Bruder Oskar, Inhaber eines mittelständischen metallverarbeitenden Familienbetriebes im schwäbischen Uhingen war. In dem 1906 gegründeten Betrieb fertigte man erfolgreich Press- und Stanzteile sowie die dazugehörigen Werkzeuge. So fertigte z.B. Allgaier im Sommer 1935 im Auftrag der Firma Porsche verschiedene Blechteile für den Käfer-Vorläufer, Typ V 1.

Die Idee, einen Ackerschlepper zu produzieren, hatte Erwin Allgaier 1945. Er erkannte, dass nur durch die Motorisierung der Landwirtschaftsbetriebe mittels des Schleppers, die so nötige Steigerung der Erträge möglich sein würde. Die Idee reifte heran. Bei der Umsetzung half ihm besonders seine familiäre Bindung zum Hause Kaelble im benachbarten Backnang, einem bedeutenden und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Hersteller zuverlässiger Zug- und Baumaschinen sowie Dieselmotoren. Erwin Allgaier war seit 1939 mit der Tochter des Firmeninhabers, Elsbeth Kaelble, verheiratet. Erwin Allgaiers Schwiegervater, Carl Kaelble, unterstützte das Projekt seines Schwiegersohns. Er beauftragte Paul Strohhöcker, einen seit 1934 bei ihm als Motorenkonstrukteur beschäftigen Ingenieur, mit der Entwicklung eines robusten und einfach aufgebauten Ackerschleppers.

Bereits im Frühjahr 1946 liefen in Backnang die ersten praktischen Versuche mit dem Motor, der als liegender 1-Zylinder-Dieselmotor, mit einfacher Verdampfungskühlung, ausgeführt war. Sämtliche Teile des Motors waren sehr reichlich dimensioniert, um der rauen, nicht immer sachgemäßen Bedienung in der Landwirtschaft gerecht zu werden. Parallel zum Motor wurde die Entwicklung des Getriebes aufgenommen. Hieran waren, neben Ing. Strohhäcker, auch mehrere Mitarbeiter der Firma Allgaier tätig: z.B. Fritz Hermann, Meister Gottlob Schwarz, einem typischen schwäbischen Tüftler, der bereits in den 30er Jahren für seinen Schwiegervater arbeitete. Fritz Hermann entwarf für Allgaier auch den, heute noch von der Firma benutzten, markanten Schriftzug, der bei den Serienschleppern seitlich auf dem Wasserkasten eingegossen war. Auf der anderen Seite war der Schriftzug Kaelble angebracht, der die Verbindung zur Backnanger Firma dokumentierte.

 

Die Typen R18,R 22 und die Änderung in A 22, A 24

Der robuste Schlepper wurde weiterentwickelt und bekam ab Juli 1949 eine detailliertere Typenbezeichnung, wobei „R 18″ zukünftig für die Bereifungsgröße S.00-20 und „R 22″ für 9.00-24 stand.

Um dem Schlepper ein moderneres Äußeres zu geben, wurde ab Sommer 1950 eine ansprechende Motorverkleidung aus Blech eingeführt, die zunächst über den Einfüllstutzen des Wasserkühlers geführt wurde. Die Typenbezeichnung lautete weiterhin R 18 oder R 22, wurde aber bald darauf in A 22 („A“ steht für Allgaier und „22“ für die Motorleistung, die nun mit 22 PS angegeben wurde) geändert. Die hohe, über den Einfüllstutzen geführte Verkleidung wurde durch eine niedrigere Verkleidung abgelöst, die eine Öffnung im oberen Abdeckblech hatte und die bis zur Einstellung der Produktion beibehalten wurde. Als letzte Variante dieses Schleppers entstand im Frühjahr der A 24, mit Kondensationskühlung statt mit Verdampfungskühlung. Er sollte den abflauenden Absatz des A 22 nochmals ankurbeln. Die Leistung des Motors wurde durch Hubraumvergrößerung und größere Kraftstoff-Einspritzmenge auf 24 PS gesteigert. Der A 24 unterschied sich äußerlich vom A 22 durch die Kühlluftöffnungen in den Seitenblechen und die weiter nach vorn gesetzten Scheinwerfern.

Der A 30 / A 40, ein neuer, stärkerer Schlepper. Allgaier wollte sein Angebot um einen Schlepper höherer Leistung erweitern. Daher begann man in Uhingen, unter der Leitung der beiden Ingenieure Robert Mack und Karl Ruoff, zum Jahresende 1949, den Typ A 30 / A 40 zu entwickeln. Die Einzelteile konnten so größtenteils aus Aluminium Spritzguss hergestellt werden und brauchten nur noch in geringem Maße bearbeitet zu werden. Der Motor war als stehender 2-Zylinder-Dieselmotor ausgeführt. Wobei man im Hause Porsche selbstverständlich der Luftkühlung den Vorzug gab. Als weitere technische Besonderheit verfügte der Porsche-Dieselmotor über eine Ölreinigungszentrifuge, die den Ölwechsel fast verzichtbar machte. Ferner waren vorhanden: elektrischer Anlasser, Spurverstellung, Portalbauweise für hohe Bodenfreiheit. Doch damit nicht genug der Neuerungen: der nur 950 kg leichte Schlepper war mit einer ölhydraulischen Kupplung versehen und damit war die Sensation perfekt!

Die DLG-Ausstellung in Frankfurt öffnete im Juni 1950 ihre Pforten. Dort präsentierte Allgaier dem staunenden Publikum seinen neuen Schlepper zu einem sensationell niedrigen Preis von nur DM 4450,- (ca. DM 250,- je PS). Die Konkurrenz war fassungslos, ja schockiert! Der Neuling Allgaier hatte nicht nur allen die Schau gestohlen, sondern auch noch die Preise verdorben. Wohl keiner der 480,000 Besucher der Ausstellung hatte es damals verpasst, den großen Allgaier-Stand zu besuchen und dort den „Volksschlepper“ zu bestaunen. Bereits am dritten Ausstellungstag waren sämtliche Allgaier-Schlepperprospekte vergriffen und mussten eilig nachgedruckt werden. Täglich feierte die Allgaier-Messe-Mannschaft neue Abschlussrekorde. Zum Ende der Messe sollen etwa 15.000 Bestellungen eingegangen sein. Erwin Allgaier erwarb mit staatlicher Unterstützung das stillgelegte Dormer-Flugzeugwerk in Friedrichshafen am Bodensee und begann dort, die Fließbandfertigung des AP 17 aufzubauen. Bereits im September 1951 lief dort der 5.000 Schlepper vom Band.

Da der AP 17 über eine Wegzapfwelle verfügte, konnte er mit einem Triebachsanhänger gekoppelt werden, sodass ein Gespann mit Vierradantrieb entstand. Die Weiterentwicklung des AP 17 bedingte einige technische Änderungen, z.B. im Bereich Baumöglichkeit.

Der A 111 war ein leichter Kleinschlepper mit der Möglichkeit, Geräte und Maschinen zwischen den Achsen anzubringen. Durch das Getriebe mit vier Vorwärts- und vier Rückwärtsgängen und einen 12-PS-Motor, war der Schlepper damals einer der modernsten Klein- Schlepper seiner Leistungsklasse, der auch mit diversen Zusatzaggregaten versehen werden konnte. Der A 111 war so konzipiert, dass er sämtliche auf dem Hof anfallenden Arbeiten verrichten konnte und dadurch die Abschaffung der Zugtiere ermöglichte.

Mit 22 PS Motorleistung erschien 1953 der A 122, der bis 1954 fast ausschließlich für den Export bestimmt war, ab 1955 aber auch auf dem deutschen Markt angeboten und verkauft wurde. Insgesamt fertigte Allgaier bis 1955 mehr als 3000 Schlepper dieses Typs.

Der A 133 wurde 1952 vorgestellt. Sein luftgekühlter 3-ZyIinder-Dieselmotor leistet 33 PS, bei 2000 U/min. Ölhydraulische-Kupplung und 5-Gang-Getriebe waren einige technische Komponenten dieses modernen und formschönen Schleppers, der nach dem A 111, der meistverkaufte Typ dieser Baureihe war.

Von 1954 bis 1955 fertigte Allgaier den A 144. Mit seinem luftgekühlten 4-Zylinder-Reihen- Motor und dem ZF A-17-Getriebe, ölhydraulischer Kupplung und Hinterradbereifung der Größe 15-30 war er nicht nur eine robuste und zugstarke Maschine, sondern durch seine lange und attraktive Verkleidung auch ein sehr eleganter Schlepper.

 

Der AP 22 und sein kleiner Bruder der AP 16

Die Weiterentwicklung des AP 17 führte im Herbst 1952 zum AP 22, mit 22 PS. Die Leistungssteigerung erreichte man durch Vergrößerung der Zylinderbohrung und durch Erhöhung der Einspritzmenge. Äußerlich unterschied sich der AP 22 zunächst nicht vom AP 17, denn er war nur eine Übergangslösung. Zur Ausstellung der OLG präsentierte Allgaier den neuen AP 22. Er wurde nun mit einer geänderten Motorverkleidung ausgeliefert, die sich Allgaiers 1- bis 4-zylindriger Schlepperbaureihe anpasste.

Allerdings wurde das Modell auf Umlaufkühlung statt Verdampfungskühlung ausgelegt. Eine Version mit Verdampfungskühlung (TV) wurde aber weiterhin angeboten. Die Motoren hatten 130 mm Bohrung und somit eh einen Hubraum von 1990 ccm. Auf der Basis des A 12-Motors entstanden die Motoren H 6 (6 PS) und H 10 (10 PS), in liegender Bauart. Sie wurden sowohl für Umlaufkühlung als auch für Verdampfungskühlung ausgeführt. Ebenfalls wurde der 2-Zylinder-Motor vom A 40 für stationären Einsatz angeboten, so z.B. für die Verwendung in Stromaggregaten, Wasserpumpen etc.

Den größten Absatz von Stationär-Motoren hatte Allgaier in Indien, wo sie als „Tiger-Motoren“ sehr gut eingeführt worden waren. Auch die Baureihe der luftgekühlten 1-4-Zylinder-Motoren waren für den stationären Einsatz geplant und auch schon getestet worden, kamen aber über das Versuchsstadium nicht hinaus.

Allgaier verkauft den Schlepperbau an Mannesmann. Allgaier bot zwar ein modernes und technisch ausgereiftes Ackerschlepperprogramm an, doch der Konkurrenzdruck war erheblich höher geworden und der kriegsbedingte Nachholbedarf an Schleppern war inzwischen gedeckt. Um weiterhin auf dem Schleppermarkt konkurrenzfähig zu bleiben, hätte Allgaier in erheblichem Umfang investieren müssen. Parallel zum Schlepperbau lief in Uhingen noch der Werkzeugbau und die Blechteilefertigung. Hier konnte Allgaier enorme Umsatzsteigerungen verbuchen, und der sich ankündigende Boom im Automobilbau versprach eine gesicherte Auftragslage. Nach Abwägung der Finanz- und Marktlage entschlossen sich die Gesellschafter, den Schlepperbau aufzugeben, um sich in Uhingen ausschließlich dem Werkzeugbau und der Blechteilefertigung zuzuwenden. Auf diesem Gebiet ist die Firma heute noch erfolgreich tätig.

Für die Übernahme der Schlepperproduktion in Friedrichshafen fand sich der Mannesmann- Konzern. Ab 01.01.1956 führte die neu gegründete Porsche-Diesel-Motorenbau GmbH, Turmgehäuse (111 – 144) ein. Dies ergab bei allen Typen eine Leistungssteigerung ohne Hubraumvergrößerung, ohne Drehzahlerhöhung und ohne höheren Kraftstoffverbrauch. Mit allen diesen Maßnahmen erreichte man in Friedrichshafen eine beachtliche Absatzsteigerung, sodass die Produktion von rund 17,000 Einheiten fast ausgelastet war. Mit knapp 11.000 im Inland zugelassenen Schleppern stieg Porsche-Diesel in der deutschen Zulassungsstatistik von Platz 6 (im Jahre 1957) auf Platz 2 (im Jahre 1958) auf.

 

 

Die vier neuen Typen Junior, Standard, Super und Master

Mit großem Werbeaufwand wurde im Herbst 1957 bei Porsche-Diesel eine Beschränkung auf vier Typen angekündigt. Doch zu einer praktischen Umsetzung kam es nicht. Das Angebot bestand zwar aus den vier Typen Junior, Standard, Super und Master, doch hinter den Verkaufsbezeichnungen verbargen sich diverse Untertypen, Baumuster und Ausführungen, sodass das Angebot größer war als vorher. Als Beispiel sei hier der 14-PS-Junior 108 aufgeführt, der von 1957 bis 1960, in acht Ausführungen angeboten wurde: K, KH, L, LH, V, VH, 5 und Junior 4.

Noch mehr Ausführungen bot die Baureihe Standard, die nicht nur mit unterschiedlichen Motorleistungen, sondern auch mit zwei im Aufbau unterschiedlichen Motortypen und der Kombination aus beiden Motoren bestand. Auch beim 3-Zylinder Super war es mit insgesamt 10 Ausführungen nicht anders.

Zum Jahresende 1959 warb Porsche-Diesel mit drastischen Preissenkungen bei den Typen Junior und Standard. Unter der Verkaufsbezeichnung Junior V (Baumuster G 108) wurde die vereinfachte Ausführung des 14-PS-Schleppers angeboten. Eine „V-Version“, ohne ölhydraulische Kupplung, gab es auch vom 25-PS-Standard. Groß angekündigt wurde 1958 auch die technische Zusammenarbeit mit der Klöckner- Humboldt-Deutz AG, besonders in der Entwicklung eines Getriebes (T 25). 1958 fertigte Porsche-Diesel 16.834 Schlepper, ein Jahr später waren es 18.427.

Der Wettbewerb auf dem deutschen Schleppermarkt wurde von Jahr zu Jahr härter und in zunehmendem Maße von ausländischen Schlepperanbietern beeinflusst. So waren neben IHC auch Massey-Ferguson, Ford, David Brown und auch John Deere auf dem deutschen Markt vertreten.

Im Herbst 1962 übernahm man die Schlepperproduktion der MAN und gliederte sie in die Porsche-Diesel-Motorenbau GmbH ein. Zunächst sollten die MAN-Schlepper unverändert weiter gebaut werden, um die Produktionskapazität in Friedrichshafen auszulasten. Doch trotz aller vielversprechenden Zukunftsprojekte, kam 1963, nach acht Jahren Porsche-Diesel, das „Aus“ vom Mannesmann-Konzern.